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Europäischer Gerichtshof: Artikel 93(1-bis) der italienischen Straßenverkehrsordnung verstößt gegen europäisches Recht

Europäischer Gerichtshof: Artikel 93(1-bis) der italienischen Straßenverkehrsordnung verstößt gegen europäisches Recht. Causa: C‑274/20 Art. 63 Abs. 1 AEUV ist dahin auszulegen, dass er einer Regelung eines Mitgliedstaats entgegensteht, die es jeder Person, die seit mehr als 60 Tagen ihren Wohnsitz in diesem Mitgliedstaat hat, verbietet, in diesem, mit einem in einem anderen Mitgliedstaat zugelassenen Kraftfahrzeug zu fahren, unabhängig davon, auf welchen Namen dieses Fahrzeug zugelassen ist, ohne die Dauer der Nutzung des Fahrzeugs im erstgenannten Mitgliedstaat zu berücksichtigen und ohne dass die betroffene Person ein Recht auf Befreiung geltend machen kann, wenn dieses Fahrzeug weder dazu bestimmt ist, im Wesentlichen dauerhaft im erstgenannten Mitgliedstaat benutzt zu werden, noch tatsächlich so benutzt wird. Art. 93 Abs. 1-a des Decreto legislativo Nr. 285 – Nuovo codice della strada (Gesetzesvertretendes Dekret Nr. 285 betreffend das neue Straßenverkehrsgesetzbuch) vom 30. April 1992 (Supplemento ordinario zur GURI Nr. 114 vom 18. Mai 1992) in seiner auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren Fassung sieht vor: „Unbeschadet des Abs. 1-b ist es jedem, der seit mehr als 60 Tagen seinen Wohnsitz in Italien hat, untersagt, mit einem im Ausland zugelassenen Fahrzeug zu fahren.“ Ein Verstoß gegen Art. 93 Abs. 1-a des Straßenverkehrsgesetzbuchs wird mit einer Geldbuße von 712 Euro bis 2848 Euro geahndet. Außerdem wird das Fahrzeug auf der Stelle beschlagnahmt. Einzige Ausnahme des Verbots wird in § 93 Abs. 1-b des Straßenverkehrsgesetzbuchs bestimmt: „Wird das Fahrzeug von einem Unternehmen, das in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder des Europäischen Wirtschaftsraumes gegründet wurde und in Italien keine Zweigniederlassung und keinen anderen tatsächlichen Sitz hat, durch Leasing oder Miete ohne Fahrer zur Verfügung gestellt, oder wird es durch Leihe einer Person mit Wohnsitz in Italien zur Verfügung gestellt, die durch ein Arbeitsverhältnis oder ein Verhältnis der Zusammenarbeit mit einem Unternehmen verbunden ist, das in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem zum Europäischen Wirtschaftsraum gehörenden Staat gegründet wurde und in Italien keine Zweigniederlassung oder anderen tatsächlichen Sitz hat, muss im Fahrzeug unter Beachtung der Bestimmungen des Zollkodex der Gemeinschaft ein Dokument mitgeführt werden, das von der Person, auf deren Namen das Fahrzeug zugelassen ist, unterzeichnet und mit beglaubigter Datierung versehen ist und aus dem der Rechtsgrund und die Dauer der Zurverfügungstellung des Fahrzeugs hervorgehen. Fehlt ein solches Dokument, wird angenommen, dass der Fahrer über das Fahrzeug verfügt.“ Dank dieses Gesetzes hat der italienische Staat große Summen von ahnungslosen Autofahrern eingenommen. Die Geschädigten dieses europarechtswidrigen Gesetzes sollten Anspruch auf eine Entschädigung seitens  des Staates haben, die sowohl die zu Unrecht gezahlte Geldbuße, als auch den durch die Beschlagnahmung des Fahrzeugs entstandenen Schaden umfasst (verwaltungsrechtliche Stilllegung). Im Folgenden wird das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 16. Dezember 2021 wiedergegeben, das über eine vom Giudice di Pace di Massa zur Vorabentscheidung vorgelegten Fragen entschieden hat: Mit seinen Fragen, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Art. 18, 21, 26, 45, 49 bis 55 und 56 bis 62 AEUV dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Bestimmung entgegenstehen, die es jeder Person, die seit mehr als 60 Tagen ihren Wohnsitz in einem Mitgliedstaat hat, verbietet, in diesem mit einem in einem anderen Mitgliedstaat zugelassenen Kraftfahrzeug zu fahren, und zwar unabhängig davon, auf welchen Namen dieses Fahrzeug zugelassen ist.   Dazu ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof, selbst wenn die Fragen des vorlegenden Gerichts der Form nach die Auslegung der Art. 18, 21, 26, 45, 49 bis 55 und 56 bis 62 AEUV betreffen, nicht daran gehindert ist, dem vorlegenden Gericht alle Hinweise zur Auslegung des Unionsrechts zu geben, die ihm bei der Entscheidung des bei ihm anhängigen Verfahrens von Nutzen sein können, und zwar unabhängig davon, ob es bei seiner Fragestellung darauf Bezug genommen hat (vgl. u. a. Urteil vom 29. Oktober 2015, Nagy, C‑583/14, EU:C:2015:737, Rn. 20 und die dort angeführte Rechtsprechung).   So hat der Gerichtshof zu einer zwischen in verschiedenen Mitgliedstaaten wohnhaften Bürgern vereinbarten Leihe bereits entschieden, dass es sich beim grenzüberschreitenden unentgeltlichen Verleih eines Kraftfahrzeugs um Kapitalverkehr im Sinne von Art. 63 AEUV handelt (Urteil vom 29. Oktober 2015, Nagy, C‑583/14, EU:C:2015:737, Rn. 23 und die dort angeführte Rechtsprechung).   Da Art. 63 AEUV anwendbar ist und besondere Diskriminierungsverbote vorsieht, findet Art. 18 AEUV keine Anwendung (Urteil vom 29. Oktober 2015, Nagy, C‑583/14, EU:C:2015:737, Rn. 24).   Im Übrigen sind die Art. 49 bis 55 AEUV, die Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit verbieten, im Rahmen des Ausgangsrechtsstreits nicht einschlägig, da dieser Rechtsstreit nach den Angaben des vorlegenden Gerichts weder den Zugang zu noch die Ausübung von selbständigen Tätigkeiten betrifft.   In der Gerichtshof vorliegenden Akte lässt sich kein Hinweis auf einen Zusammenhang zwischen dem Sachverhalt des Ausgangsverfahrens und der in den Art. 56 bis 62 AEUV vorgesehenen Ausübung des freien Dienstleistungsverkehrs entnehmen; deshalb erscheint auch deren Auslegung für die Entscheidung dieses Rechtsstreits nicht erheblich.   Außerdem enthält die Vorlageentscheidung keinen Anhaltspunkt für einen Zusammenhang zwischen diesem Sachverhalt und der Ausübung der in Art. 45 AEUV vorgesehenen Arbeitnehmerfreizügigkeit.   Da Art. 26 AEUV schließlich vorsieht, dass der Binnenmarkt einen Raum ohne Binnengrenzen umfasst, in dem u. a. der freie Verkehr von Kapital gemäß den Bestimmungen der Verträge gewährleistet ist, und da Art. 63 AEUV anwendbar ist, findet Art. 26 AEUV keine Anwendung.   Der Ausgangsrechtsstreit betrifft das Verleihen eines Kraftfahrzeugs durch eine in einem Mitgliedstaat wohnhafte Person an eine in einem anderen Mitgliedstaat wohnhafte Person; deshalb sind die Vorlagefragen zunächst im Licht von Art. 63 AEUV und anschließend gegebenenfalls im Hinblick auf Art. 21 AEUV zu prüfen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 29. Oktober 2015, Nagy, C‑583/14, EU:C:2015:737, Rn. 25).   Um dem vorlegenden Gericht eine sachdienliche Antwort zu geben, sind daher die Vorlagefragen umzuformulieren und es ist festzustellen, dass das vorlegende Gericht wissen möchte, ob die Art. 21 und 63 AEUV dahin auszulegen sind, dass sie einer Regelung eines Mitgliedstaats entgegenstehen, die es jeder Person, die seit mehr als 60 Tagen ihren Wohnsitz in diesem Mitgliedstaat hat, verbietet, in diesem mit einem in einem anderen Mitgliedstaat zugelassenen Kraftfahrzeug zu fahren, unabhängig davon, auf welchen Namen dieses Fahrzeug zugelassen ist. Zum Vorliegen einer Beschränkung Maßnahmen eines Mitgliedstaats stellen Beschränkungen im Sinne von Art. 63 Abs. 1 AEUV dar, wenn sie geeignet sind, die Gebietsansässigen davon abzuhalten, in einem anderen Mitgliedstaat Darlehen aufzunehmen (vgl. u. a. Urteil vom 29. Oktober 2015, Nagy, C‑583/14, EU:C:2015:737, Rn. 26 und die dort angeführte Rechtsprechung).   Nach Art. 93 Abs. 1-a des Straßenverkehrsgesetzbuchs ist es jedem, der seit mehr als 60 Tagen seinen Wohnsitz in Italien hat, untersagt, mit einem im Ausland zugelassenen Fahrzeug zu fahren.   Folglich muss eine Person, die seit mehr als 60 Tagen in Italien wohnt, wie GN, die über ein in einem anderen Mitgliedstaat zugelassenes Kraftfahrzeug verfügt und mit diesem in Italien fahren möchte, dieses in diesem Mitgliedstaat zulassen, was, wie das vorlegende Gericht ausführt, die Zahlung von Gebühren und Abgaben sowie die Erfüllung komplexer Verwaltungsformalitäten umfasst.   Da das Wesentliche einer Leihe die Möglichkeit ist, die geliehenen Sachen zu benutzen, ist aber festzustellen, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehende nationale Regelung dadurch, dass Personen, die seit mehr als 60 Tagen in Italien ihren Wohnsitz haben, bei der Benutzung eines in einem anderen Mitgliedstaat zugelassenen Fahrzeugs auf dem italienischen Straßennetz auch dann zur Zahlung einer Steuer verpflichtet werden, wenn das Fahrzeug unentgeltlich von einem Einwohner eines anderen Mitgliedstaats verliehen wurde, dazu führt, dass der grenzüberschreitende unentgeltliche Verleih von Kraftfahrzeugen besteuert wird (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 26. April 2012, van Putten, C‑578/10 bis C‑580/10, EU:C:2012:246, Rn. 39). Der unentgeltliche Verleih eines in Italien zugelassenen Fahrzeugs unterliegt dagegen nicht dieser Steuer.   Eine solche Ungleichbehandlung, die danach unterscheidet, in welchem Staat das geliehene Fahrzeug zugelassen ist, kann die Einwohner Italiens davon abhalten, den ihnen von Einwohnern eines anderen Mitgliedstaats angebotenen Verleih eines dort zugelassenen Kraftfahrzeugs anzunehmen (vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 10. September 2020, Wallonische Region [Zulassung eines geliehenen Fahrzeugs], C‑41/20 bis C‑43/20, nicht veröffentlicht, EU:C:2020:703, Rn. 48 und die dort angeführte Rechtsprechung).   Daher stellt die in Rn. 24 des vorliegenden Urteils angeführte nationale Regelung, da sie geeignet ist, die Einwohner Italiens davon abzuhalten, in anderen Mitgliedstaaten Darlehen aufzunehmen, eine Beschränkung des freien Kapitalverkehrs im Sinne von Art. 63 Abs. 1 AEUV dar (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 26. April 2012, van Putten, C‑578/10 bis C‑580/10, EU:C:2012:246, Rn. 40 und 41). Zur Rechtfertigung der Beschränkung Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs kann eine Beschränkung einer der durch den AEU-Vertrag garantierten Grundfreiheiten nur zulässig sein, wenn mit ihr ein berechtigtes und mit diesem Vertrag zu vereinbarendes Ziel verfolgt wird und sie durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist. In einem solchen Fall muss aber die Anwendung einer solchen Maßnahme auch geeignet sein, die Verwirklichung des verfolgten Zwecks zu gewährleisten, und darf nicht über das hinausgehen, was zu seiner Erreichung erforderlich ist (vgl. u. a. Urteil vom 29. Oktober 2015, Nagy, C‑583/14, EU:C:2015:737, Rn. 31, und Beschluss vom 23. September 2021, Wallonische Region [Zulassung eines Fahrzeugs einer Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit], C‑23/21, nicht veröffentlicht, EU:C:2021:770, Rn. 48 und die dort angeführte Rechtsprechung).   Die italienische Regierung macht im Wesentlichen geltend, das Ziel der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Regelung bestehe darin, zu verhindern, dass in Italien wohnhafte und arbeitende Personen durch die regelmäßige Nutzung von im Ausland zugelassenen Fahrzeugen unerlaubte Handlungen wie die Nichtentrichtung von Steuern, Abgaben und Mautgebühren begehen, Sanktionen entkommen und vorteilhaftere Versicherungsprämien in Anspruch nehmen könnten, aber auch zu verhindern, dass die Identifizierung der Personen, die diese Fahrzeuge tatsächlich führen, für die mit der Durchführung von Kontrollen betrauten Polizeikräfte erschwert oder sogar unmöglich gemacht werde.   Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof insbesondere in Bezug auf das Ziel der Bekämpfung von Steuerbetrug in den Bereichen der Zulassungssteuer und der Kraftfahrzeugsteuer bereits festgestellt hat, dass ein Mitgliedstaat ein Kraftfahrzeug, das in einem anderen Mitgliedstaat zugelassen ist, mit einer Zulassungssteuer belegen kann, wenn dieses Kraftfahrzeug im Gebiet des erstgenannten Mitgliedstaats im Wesentlichen dauerhaft benutzt werden soll oder tatsächlich so benutzt wird (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 26. April 2012, van Putten, C‑578/10 bis C‑580/10, EU:C:2012:246, Rn. 46 und die dort angeführte Rechtsprechung).   Sind dagegen diese Bedingungen nicht erfüllt, ist die Bindung des im anderen Mitgliedstaat zugelassenen Fahrzeugs an den erstgenannten Mitgliedstaat schwächer, so dass eine weitere Rechtfertigung der fraglichen Beschränkung erforderlich ist (Urteil vom 26. April 2012, van Putten, C‑578/10 bis C‑580/10, EU:C:2012:246, Rn. 47 und die dort angeführte Rechtsprechung).   Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, die Dauer des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Verleihs und die Art der tatsächlichen Verwendung der ausgeliehenen Fahrzeuge zu beurteilen (Urteil vom 26. April 2012, van Putten, C‑578/10 bis C‑580/10, EU:C:2012:246, Rn. 49).   Im Übrigen ergibt sich in Bezug auf das Ziel der Verhinderung von Missbrauch aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass zwar die missbräuchliche oder betrügerische Berufung auf Unionsrecht nicht gestattet ist, dass aber eine allgemeine Missbrauchsvermutung nicht darauf gestützt werden kann, dass eine Person mit Wohnsitz in Italien in diesem Mitgliedstaat ein Fahrzeug nutzt, das in einem anderen Mitgliedstaat zugelassen und ihr von einer in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Person unentgeltlich geliehen wurde (Beschluss vom 10. September 2020, Wallonische Region [Zulassung eines geliehenen Fahrzeugs], C‑41/20 bis C‑43/20, nicht veröffentlicht, EU:C:2020:703, Rn. 53 und die dort angeführte Rechtsprechung).   Zu der von der italienischen Regierung in ihren schriftlichen Erklärungen angeführten Rechtfertigung im Zusammenhang mit dem Erfordernis der Wirksamkeit von Verkehrskontrollen ist festzustellen, dass nicht ersichtlich ist, aus welchen Gründen die Identifizierung von Personen, die im Ausland zugelassene Fahrzeuge tatsächlich fahren, für die mit der Durchführung von Kontrollen betrauten Polizeikräfte erschwert oder sogar unmöglich gemacht würde.   Was ferner das Ziel angeht, den betreffenden Fahrer keine vorteilhafteren Versicherungsprämien in Anspruch nehmen zu lassen, auf das diese Regierung hingewiesen hat, so ergibt sich weder aus der Vorlageentscheidung noch aus den schriftlichen Erklärungen dieser Regierung, inwiefern dieses Ziel ein legitimes Ziel darstellt, das mit dem AEU-Vertrag vereinbar ist, und im Einklang mit der in Rn. 31 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein soll. Insoweit ist aber darauf hinzuweisen, dass es Sache des Mitgliedstaats ist, der einen Rechtfertigungsgrund für eine Beschränkung einer der durch diesen Vertrag garantierten Grundfreiheiten geltend macht, konkret darzutun, dass ein Grund des Allgemeininteresses vorliegt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. Mai 2003, ATRAL, C‑14/02, EU:C:2003:265, Rn. 69).   Schließlich kann nach ständiger Rechtsprechung die Verringerung von Steuereinnahmen nicht als zwingender Grund des Allgemeininteresses betrachtet werden, der zur Rechtfertigung einer grundsätzlich gegen eine Grundfreiheit verstoßenden Maßnahme angeführt werden kann (vgl. u. a. Urteile vom 7. September 2004, Manninen, C‑319/02, EU:C:2004:484, Rn. 49; vom 22. November 2018, Sofina u. a., C‑575/17, EU:C:2018:943, Rn. 61, sowie Beschluss vom 10. September 2020, Wallonische...

Das Fahrverbot mit ausländischen Autokennzeichen für Personen, die in Italien ansässig sind

Ab Januar 2019 besteht das Risiko für Personen, die seit mehr als 60 Tagen ihren Wohnsitz in Italien haben und ein Auto mit ausländischem Kennzeichen fahren, von einer schweren Strafe betroffen zu sein. Als mögliche Rechtsfolgen kommen eine Geldstrafe bis zur 2.848 EUR und die Beschlagnahmung des Kraftfahrzeuges in Betracht, d.h. der Kraftfahrzeugschein wird von den zuständigen Behörden einbehalten und das Fahrzeug muss vom Feststellungsort bis zu einem privaten Verwahrungsort überführt werden. Ab diesem Zeitpunkt darf man mit dem Kraftfahrzeug nicht mehr fahren, es sei denn, das Auto/Motorrad wird in Italien zugelassen oder, nach Erlass einer extra Erlaubnis (Ausfahrterlaubnis), darf das Auto aus Italien ausgeführt werden. Das Verbot wurde durch die erste Sicherheitsverordnung der gelb-grünen Regierung in den Art. 93 des italienischen Straßenverkehrsgesetzes eingeführt. Es sind nur einige, wenige, Ausnahmen vorgesehen (siehe art. 93, Codice della Strada). Wir sind der Meinung, dass ein solches Verbot gegen mehrere, unmittelbar anwendbare, völkerrechtliche Vorschriften verstößt und deswegen unrechtmäßig und verfassungswidrig ist. In Betracht kommt zunächst die Europäische Richtlinie 83/182/EWG. Diese verbietet den Mitgliedsstaaten die Einfuhr von Autos bzw. Motorrädern mit ausländischem Kennzeichen nach Italien zu besteuern, wenn diese weniger als sechs Monate jährlich in Italien verkehren. Voraussetzung für diese Steuerbefreiung ist es, dass der Fahrzeugführer seinen gewöhnlichen Wohnsitz außerhalb Italiens hat. Der Begriff des „gewöhnlichen Wohnsitzes“ ist von dem des gemeldeten Wohnsitzes zu unterscheiden und bestimmt sich nach Art 7 Abs. 1 derselben Richtlinie: „Im Sinne dieser Richtlinie gilt als „gewöhnlicher Wohnsitz" der Ort, an dem eine Person (…) während mindestens 185 Tagen im Kalenderjahr, wohnt. Jedoch gilt als gewöhnlicher Wohnsitz einer Person, deren berufliche Bindungen an einem anderen Ort als dem seiner persönlichen Bindungen liegen und die daher veranlasst ist, sich abwechselnd an verschiedenen Orten in zwei oder mehr Mitgliedstaaten aufzuhalten, der Ort ihrer persönlichen Bindungen, sofern sie regelmäßig dorthin zurückkehrt. (…) Der Universitäts- und Schulbesuch hat keine Verlegung des gewöhnlichen Wohnsitzes zur Folge.“ Für eine Vertiefung der gesetzlichen Grundlagen wird auf den diesen Aufsatz hingewiesen. Aus den vorherigen Ausführungen ergibt sich, dass Sie die Möglichkeit haben einen gerichtlichen Einspruch einzulegen, wenn Sie, zum Zeitpunkt des Bußgeldbescheides entweder: A) - seit mehr als 60 Tagen in Italien Ihren Wohnsitz angemeldet haben, aber seit weniger als 185 Tagen in Italien wohnen und somit noch nicht Ihren „gewöhnlichen Wohnsitz“ in Italien haben oder B) unabhängig von dem Zeitpunkt, seitdem Sie in Italien ihren Wohnsitz haben, ausländischer Student oder Arbeitnehmer in Italien sind, dessen familiärer Mittelpunkt sich in einem anderen Mitgliedstaat befindet. Für die Einlegung der Widerspruchsklage ist allerdings erforderlich, dass die gemäß Art 207 Abs. 2, 2-bis italienisches Straßengesetz reduzierte Geldstrafe im Moment der Erteilung des Bußgeldbescheides nicht bezahlt wird. Eine solche Bezahlung führt per Gesetz automatisch zum Verzicht auf das Widerspruchsrecht. Die Androhung eines sofortigen Fahrverbots des Fahrzeuges mit ausländischem Kennzeichen (gemäß Art. 207, Abs. 3 des italienischen Straßenverkehrsgesetzes) veranlasst leider oft den Fahrer zur Zahlung dieser reduzierten Sanktion, da außerdem  die sofortige Abschleppung des  Auto droht,  was u.a. weitere Kosten nach sich zieht (Verwahrung bei Dritten). Um das Widerspruchsrecht zu wahren und gleichzeitig die sofortige Abschleppung zu vermeiden, gibt es allerdings die Möglichkeit, eine Kaution zu zahlen, deren Umfang für Kraftfahrzeuge mit europäischem Kennzeichnen nach Art. 207, Abs. 2, 2 bis des italienischen Straßenverkehrsgesetzes der eingeschränkten Geldstrafe entspricht. Sie sollten aber darauf achten, dass diese Bezahlung in diesem Sinne im Feststellungsprotokoll ausdrücklich festgehalten wird. So können Sie das sofortige Fahrverbot vermeiden und einen Widerspruch innerhalb der 60 Tagen Frist einlegen. Haben Sie jedoch die Geldstrafe im beschränkten Ausmaß bezahlt und somit stillschweigend auf die Einlegung der Verwaltungsgegenklage verzichtet, sind wir trotzdem der Ansicht, dass es eine Lösung für Sie geben könnte. Wir glauben nämlich, dass in den Fällen der oben genannten Punkte A) und B), die Geldstrafe rechtswidrig ist, da der Art. 93, der die Bußgeldstrafe vorsieht, europarechtswidrig ist. (Siehe LINK oben). Es bestünde somit die Möglichkeit, den Vermögensschaden (der bezahlte Geldbetrag und der aus dem Fahrverbot resultierende Schaden) gegen den italienischen Staat wegen Verletzung des EU-Rechts geltend zu machen. Wenn Sie von einer solchen Sanktion betroffen sind und diese für unrechtmäßig halten, melden Sie sich gerne bei uns, um zusammen die Möglichkeit eines gerichtlichen Vorgehens zu erörtern.

Der Italienische Verfassungsgerichtshof- Urteil Nr. 238 Jahr 2014

Urteil 238_2014_deutsch

EUGH Urteil – C-145/99 vom 7.3.2002

Der europäische Gerichtshof hat mit dem Urteil in der Sache C-145/99 Anerkannt das Italien durch das Nationale Recht über die Niederlassung von Europäischen Anwälten das EU Recht Verletzt. Link: EUGH Urteil 7.3.2002